Vitamine, Calcium, Eisen, was macht ihr mit meinem Darm?

Stand:
Nahrungsergänzungsmittel können die Zusammensetzung der Darmmikrobiota verändern. Umgekehrt beeinflusst sie aber auch die Mikronährstoff-Aufnahme. Was das für uns tatsächlich bedeutet, muss allerdings in weiteren Studien erforscht werden.
Darmbakterien 3D

Das Wichtigste in Kürze:
Sprechblase"Aufs Wissen kommt es an

  • Nahrungsergänzungsmittel können auf unterschiedlichste Weise die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen.
  • Untersuchungen zeigen, dass nicht nur Ballaststoffe sondern auch zusätzliche Vitamine, Calcium, Magnesium oder Eisen einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien haben.
  • Wer an Erkrankungen des Darms, insbesondere entzündlichen Veränderungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, leidet, sollte Nahrungsergänzungsmittel nicht ohne ärztliche Rücksprache nehmen.
  • Eine darmfreundliche Ernährung ist für Gesunde immer hilfreich.
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Nahrungsergänzungsmittel beeinflussen die Darmflora

Ein Kieler Forschungsteam konnte zeigen, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmbakterien bei Typ-2-Diabetes vor allem mit Übergewicht und Einnahmen von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten zusammenhängen und weniger mit der Diabetes-Erkrankung.

So haben regelmäßig eingenommene Medikamente (wie Blutdrucksenker, Schmerzmittel, Antidepressiva und Antidiabetika) und auch Nahrungsergänzungsmittel Einfluss auf das Darmmikrobiom (Darmflora). Bei den Nahrungsergänzungsmitteln sind es Magnesium, Vitamine, Calcium (Kalzium) und vor allem Eisen, die die Zusammensetzung der Darmbakterien verändern.

Das ist besonders bei Personen mit Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich wie z.B. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa und einer wenig stabilen Darmflora zu bedenken. Eine Studie hat gezeigt, dass die zusätzliche Gabe von Eisen, und zwar egal ob als Tablette oder intravenös, die Zusammensetzung der Darmflora erheblich beeinflusst.

Schon 2016 konnte ein österreichisches Forschungsteam zeigen, dass eine 8-wöchige orale Nahrungsergänzung mit sehr hoch dosiertem Vitamin D3 (bis 1.700 µg pro Woche) zu spezifischen Veränderungen der Darmmikrobiota führte, nämlich zu einer Verringerung bei der Bakterienfamilie der Proteobacteria und einer Zunahme der Bacteroidetes (s.u.).

Für die Zukunft hoffen die Forschenden genauer zu verstehen, was diese Veränderungen im intestinalen Mikrobiom konkret bewirken und welche Bakterien die wichtigen Akteure sind, um dann gezielt eingreifen zu können und so die jeweilige Krankheit zu beeinflussen.

Umgekehrt weiß man aber auch aus kleinen Studien, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von Vitaminen und Mineralstoffen hat, also auf die Aufnahme in den Körper. So kann im Alter ein verändertes Mikrobiom zu einer geringeren Knochendichte und damit zu Osteoporose führen.

Man weiß auch, dass  es ein Zusammenspiel zwischen (Poly)phenolen, also bestimmten sekundären Pflanzenstoffen, und der Darmmikrobiota gibt. Dabei werden die Polyphenole vom Mikrobiom verstoffwechselt und die Stoffwechselprodukte (Metaboliten) wiederum beeinflussen die Diversität und Zusammensetzung der Darmmikrobiota.

Sport und Bewegung wiederum beeinflussen das Mikrobiom positiv. Es ist also noch viel Forschung nötig, bis die ganzen Zusammenhänge wirklich aufgeklärt und verstanden sind.

Was sollten Sie beachten?

Wenn Sie an Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden, immer wieder mit Durchfällen zu tun haben oder Probleme mit dem Darm haben, sollten Sie vor der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln unbedingt ärztlichen Rat suchen. Fragen Sie in dem Gespräch auch unbedingt nach einer für Sie sinnvollen Dosierung. So können zum Beispiel zu große Mengen an Magnesium nicht nur die Zusammensetzung der Darmbakterien verändern sondern auch zu Durchfällen und Magen-Darm Problemen führen. Auch eventuelle Wechselwirkungen mit Medikamenten sollten dabei bedacht werden.

Nahrungsergänzungsmittel mit Mikroorganismen ändern die Zusammensetzung meist nur kurzfristig, können aber auch zu einer ungünstigen Verschiebung des Verhältnisses der verschiedenen Bakterienfamilien führen. Nehmen Sie solche Produkte nicht ohne ärztlichen Rat.

Was können Sie selber für Ihre Darmbakterien tun?

  • Essen Sie Lebensmittel, die bei Ihnen zu Verstopfung führen oder abführend wirken (z.B. bestimmte Gewürze) nur in kleinen Mengen.
  • Trinken Sie ausreichend.
  • Essen Sie – soweit Sie sie vertragen – ballaststoffreiche pflanzliche Lebensmittel, also Vollkornprodukte, Haferflocken und Gemüse, aber auch Obst. Hilfreich können Lebensmittel mit natürlichem Inulin oder Oligofruktose (speziellen wasserlöslichen Ballaststoffen) wie Hülsenfrüchte, Chicorée, Artischocke, Schwarzwurzel, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch oder Spargel sein. Auch resistente Stärke (enthalten in Kartoffeln, Nudeln, Reis vom Vortag) wirkt als Ballaststoff.
  • Auch Leinsamen (bis 20 Gramm pro Tag), Chiasamen oder Flohsamen (Psyllium) können sich positiv auswirken.
  • Sauermilchprodukte aus dem Kühlregal wie Joghurt, Kefir, Ayran, Lassi oder Dickmilch, aber auch milchsauer vergorene Bohnen, Möhren, Sauerkraut oder asiatisches Kimchi haben einen günstigen Einfluss auf die Darmflora und damit möglicherweise auch auf das Immunsystem.
  • Sogenannte probiotische Bakterien haben bei Gesunden keine nachgewiesene gesundheitsförderliche Wirkung.
  • Nehmen Sie Antibiotika nur dann, wenn sie wirklich nötig sind. Besprechen Sie das mit Ihren Ärzt:innen.
  • Vermeiden Sie Stress, schlafen Sie ausreichend und bewegen Sie sich möglichst viel.

Was machen die Darmbakterien?

Im Darm befinden sich rund 1,3-mal so viele Bakterien, wie der Körper des Menschen Zellen hat. Diese so genannte Mikrobiota ist an vielen Prozessen beteiligt wie etwa der Verdauung, der Herstellung von Vitaminen und der Abwehr von Krankheitserregern. Die Darmflora besteht zu 99 % aus vier Bakterien-Familien: Firmicutes, Bacteroidetes, Proteobacteria und Actinobacteria.

Diese bauen vor allem unverdauliche Kohlenhydrate (Ballaststoffe) ab, dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren (hauptsächlich Essig-, Propion- und Buttersäure), die von den Zellen der Darmwand aufgenommen und verstoffwechselt werden. Deren genaue physiologische Bedeutung ist noch nicht bekannt, auf jeden Fall regen sie auch die Darmperistaltik (Darmbewegung) an.

Wenn Sie es noch detaillierter möchten:

Man weiß bisher, dass Darmmikrobiom und Körpergewicht sich gegenseitig beeinflussen und dass Menschen, die an Fettsucht (Adipositas) leiden, eine veränderte Zusammensetzung der Darmbakterien haben. Im Darm gesunder Menschen beträgt das Verhältnis von Firmicuten zu Bacteroideten 1:1 bis 3:1. Bei übergewichtigen Patienten ändert sich das häufig zu Gunsten der Firmicutes von 3:1 auf bis 25:1 (in Extremfällen bis 200:1). Mehr Firmicutes führt zu einem besseren Abbau von Ballaststoffen und der Gewinnung von zusätzlicher Energie (mehr Kalorien). Bei einer Gewichtsreduktion verschiebt sich das Verhältnis von Firmicutes zu Bacteroides hin. Durch die Übertragung von Stuhl lässt sich im Tierexperiment bei normalgewichtigen Mäusen eine Gewichtszunahme hervorrufen.

Bekannt ist, dass sich bei einer stark kalorienreduzierten Diät das als Krankenhauskeim bekannte Bakterium Clostridium difficile leichter vermehren kann und die Aufnahme der Nahrung über die Darmwand weniger effizient macht (und damit zusätzlich zur Gewichtsabnahme beträgt), dabei aber keine Krankheitssymptome verursacht. Ob eine solche Besiedelung ohne Krankheitssymptome die Gesundheit beeinträchtigt oder fördert, muss in weiteren, größeren Studien untersucht werden.

Es wird angenommen, dass ein Verlust dieser symbiontischen Bakterien – und damit eine Veränderung der Zusammensetzung - die Entstehung von Allergien begünstigt.

Neue Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Darmflora und Erkrankungen des Gehirns gibt ("Darm-Hirn-Achse"). Ebenfalls in Tierexperimenten wurde festgestellt, dass ein Magnesiummangel bei Mäusen zu einer veränderten Darmflora führte und vermutlich in einer Depression mündete. Hier besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

 

Zum Weiterlesen:

 

Quellen:


Thingholm LB et al. (2019): Obese Individuals with and without Type 2 Diabetes Show Different Gut Microbial Functional Capacity and Composition. Cell Host & Microbe 26 (2): P252-264.e10

Fragile Gemeinschaft bei gesteigerter Eisenzufuhr. Meldung des Technische Universität München vom 17.02.2016 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)

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Wie die Darmflora Allergien verhindert. Meldung des Helmholtz-Zentrums München vom 16.07.2015 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)

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Smith PA (2015): Die Darm-Hirn-Achse. Neurowissenschaftler untersuchen, wie das Darm-Mikrobiom die Gehirnentwicklung beeinflusst. Spektrum (47). Original-Übersetzung aus Nature (14.10.2015) "The tantalizing links between gut microbes and the brain"

Winther G et al. 2015): Dietary magnesium deficiency alters gut microbiota and leads to depressive-like behavior. Acta Neuropsychiatrica 27 (3): 168-176

Grisham J: Your Gut Microbiome: How to improve it, its effects on the Immune System, and more. MSKCC, Stand: 08.06.2023 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)

Nature-Studie: Wie eine Diät die Darmflora beeinflusst. Krankenhauskeim spielt wichtige Rolle bei der Gewichtsregulation. Pressemitteilung der Charité vom 23.06.2021 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)

Jumpertz von Schwartzenberg R et al. (2021): Caloric restriction disrupts the microbiota and colonization resistance. Nature, doi: 10.1038/s41586-021-03663-4

Hadadi N et al. (2021): Intestinal microbiota as a route for micronutrient bioavailability. Current Opinion in Endocrine and Metabolic Research 20: 100285

Brancaccio M et al. (2022): The Biological Role of Vitamins in Athletes’ Muscle, Heart and Microbiota.  Int J Environ Res Public Health 19 (3): 1249

Bashir M et al. (2016): Effects of high doses of vitamin D3 on mucosa-associated gut microbiome vary between regions of the human gastrointestinal tract. Eur J Nutr  55: 1479–1489

Das M (2019): Gut microbiota alterations associated with reduced bone mineral density in older adults. Rheumatology 58 (12): 2295–2304

Hu J et al. (2024): (Poly)phenol-related gut metabotypes and human health: an update. Food & Function, first published 19.02.2024

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