Vitamin A-Produkte – was ist sinnvoll?

Stand:
Ein Vitamin A-Mangel hat schwerwiegende Folgen – eine Überdosierung aber auch.

Das Wichtigste in Kürze:
Auf die Dosis kommt es an

  • Vitamin A (auch Retinol genannt) ist für das Zellwachstum, die Funktion des Immunsystems, des Sehvorganges und die Haut- und Schleimhautgesundheit wichtig.
  • Ein Mangel kommt in Industrienationen selten vor.
  • Der Bedarf an Vitamin A und dessen Vorstufe Betacarotin kann durch herkömmliche Lebensmittel wie Leber, Eier, Milchprodukte, Mohrrüben, Kürbis, Paprika, Grünkohl und Spinat gut gedeckt werden.
  • Zu viel Vitamin A (nicht Betacarotin) kann akute Vergiftungen sowie chronische Schäden verursachen.
  • Schwangere sollten Vitamin-A-haltige Nahrungsergänzungsmittel nur auf ausdrückliches ärztliches Anraten einnehmen.
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Was steckt hinter der Werbung zu Vitamin A?

Vitamin A (auch Retinol genannt) ist in vielen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten. Es soll laut Herstellern für schönere Haut sorgen, das Immunsystem stärken und zu besserer Sehkraft verhelfen.

Folgende Werbeaussagen sind gesetzlich für Vitamin A bzw. dessen Vorstufe Betacarotin (ß-Carotin, Provitamin A) zugelassen:

  • Vitamin A trägt zu einem normalen Eisenstoffwechsel bei
  • Vitamin A trägt zur Erhaltung normaler Schleimhäute bei
  • Vitamin A trägt zur Erhaltung normaler Haut bei
  • Vitamin A trägt zur Erhaltung normaler Sehkraft bei
  • Vitamin A trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei
  • Vitamin A hat eine Funktion bei der Zellspezialisierung

Die vom Körper benötigte Menge an Vitamin A bzw. Betacarotin kann durch herkömmliche Lebensmittel wie Mohrrüben, Kürbis, rote Paprika, Grünkohl, Spinat, Feldsalat sowie Leber(wurst), Eier und Milchprodukte problemlos zugeführt werden. Auch Obstsorten wie Honigmelone, Aprikosen und Mango sind reich an Betacarotin.

Worauf sollte ich bei der Verwendung von Vitamin A-Produkten achten?

  • Eine Überdosierung von Vitamin A kann gefährliche Wirkungen haben. So kommt es bei akuten Vergiftungen zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Schwindel, Hautjucken und erhöhtem Schädelinnendruck. Bei langfristig zu hohen Mengen an Vitamin A sind chronische Schädigungen wie Gelbsucht, Vergrößerung der Leber, Hauteinrisse, Haarausfall, Gelenk- und Muskelschmerzen, Blutungen bis hin zu Schädigungen des Skelettsystems möglich. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat 2024 eine sichere Tageshöchstmenge aus allen Quellen, (Tolerable Upper Intake Level) von 3 mg Retinol-Äquivalenten (RE) täglich ermittelt. Das sind maximal 3 mg Retinol aus herkömmlichen Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Getränken und Arzneimitteln zusammen pro Tag. Für Betacarotin konnte mangels Daten kein UL abgeleitet werden. Es wird aber empfohlen, dass  Raucher:innen Nahrungsergänzungsmittel mit Betacarotin vermeiden.
  • Da mit normalen Lebensmitteln schon reichlich Vitamin A aufgenommen wird, empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Lebensmittel nicht mit Vitamin A anzureichern. Eine Ausnahme ist Butterersatz. Hier gilt eine Höchstmenge von 1 mg Vitamin A pro 100 g.
  • Für Nahrungsergänzungsmittel sollte die Obergrenze laut BfR bei 0,4 mg bzw. mit Einbezug eines Unsicherheitsfaktors bei 0,2 mg Vitamin A pro Tagesdosis liegen.
  • Eine in 2024 veröffentlichte Untersuchung von Vitamin-A-Produkten aus Online-Apotheken zeigt, dass diese Empfehlungen im Schnitt deutlich überschritten werden. Derart hoch dosierte Produkte können ein Gesundheitsrisiko darstellen.
  • Wenn überhaupt sollten Sie eher Nahrungsergänzungsmittel mit Betacarotin statt mit Vitamin A wählen. Achten Sie dazu bitte auf die Zutatenliste, da in der Nährwertkennzeichnung häufig Vitamin A (aus Betacarotin umgerechnet) genannt wird, auch wenn Betacarotin eingesetzt wurde. Die Höchstmengenempfehlung des BfR liegt hier bei 3,5 mg Betacarotin pro Tagesdosis.
  • Die Vitamin-A-Vorstufe Betacarotin wird auch als Lebensmittelfarbstoff (E 160 und E 160a) verwendet und ist beispielsweise in Milchprodukten, Süßwaren oder Erfrischungstränken enthalten.
  • Teilweise werden bei Vitamin A auch Mengenangaben in I.E. (Internationale Einheiten) gemacht. 1 mg Vitamin A entspricht dabei 3.333 I.E. Die alleinige Angabe in I.E. ist für Lebensmittel nicht erlaubt.
  • Insbesondere in der Schwangerschaft sollte Vitamin A nur nach ausdrücklicher Empfehlung  der Frauenärztin oder des Frauenarztes genommen werden.
  • Da ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Vitamin A-Aufnahme und einer geringeren Knochendichte als wahrscheinlich gilt, empfiehlt die EFSA Frauen nach der Menopause eine Beschränkung der Gesamtaufnahme an Vitamin A (nicht aber von Betacarotin aus natürlichen Lebensmitteln). Wir empfehlen daher dieser Personengruppe, vor der Verwendung eines Vitamin A-haltigen Nahrungsergänzungsmittels die Rücksprache mit Arzt oder Ärztin.

Diese Vitamin-Verbindungen sind gemäß EU-Richtlinie 2002/46/EG, Anhang II (Fassung vom 06.02.2024) für Retinol (Vitamin A) in Deutschland und anderen EU-Ländern in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen:

  • Retinol
  • Retinylacetat
  • Retinylpalmitat
  • β-Carotin (Betacarotin)

Wofür braucht der Körper Vitamin A?

Vitamin A ist in erster Linie am Wachstum der Zellen sowie an der Funktion des Immunsystems beteiligt. Es wird zwischen Verbindungen, die über alle Wirkungen des Vitamins verfügen (z. B. Retinol) und über Verbindungen, die sich von Vitamin A ableiten und nur ganz bestimmte Funktionen ausüben, unterschieden. So hat die aus Retinol hergestellte Retinsäure beispielsweise eine fundamentale Bedeutung für die Gesundheit von Haut und Schleimhäuten. Wird Vitamin A zu Retinal umgewandelt, ist es für die Funktion des Sehvorgangs entscheidend.

Ein erstes Anzeichen eines Vitamin A-Mangels ist Nachtblindheit, die das Sehen in der Dämmerung erschwert. Bei einem ausgeprägten Vitamin A-Mangel kommt es zur Erblindung, Fortpflanzungsstörungen, Knochenschäden und schlimmstenfalls schweren Störungen des Immunsystems. Solche extremen Mangelsituationen kommen vor allem in Entwicklungsländern als Folge von sehr einseitiger Ernährung oder schweren parasitären Infektionen des Magen-Darm-Traktes vor.

In westlichen Industrienationen wie Deutschland ist ein Vitamin-A-Mangel selten. Die Nationale Verzehrstudie II zeigte im Jahr 2008, dass ein Großteil der Bevölkerung überdurchschnittlich viel Vitamin A bzw. Retinol-Äquivalente aufnimmt. Nur 15 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen erreichten die empfohlene Zufuhr nicht. Ein Mangel kommt hierzulande anstelle einer zu geringen Zufuhr eher aufgrund von Krankheiten des Verdauungstraktes vor. Denn für die Aufnahme von Vitamin A im Darm ist eine funktionierende Fettverdauung wichtig. Ist diese gestört , kann auch die Vitamin-A-Aufnahme im Darm nicht mehr richtig funktionieren. Das könnte auch bei der Verwendung von Fettblockern wie Orlistat oder Chitosan sowie bei der Einnahme des Cholesterinsenkers Colestyramin der Fall sein. Außerdem sind Verluste des Vitamins durch Leberschäden aufgrund von chronischem Alkoholismus oder durch die häufige Einnahme leberschädigender Arzneimittel möglich.

Weitere Risikogruppen stellen vor allem Neugeborene sowie hochbetagte Senior:innen dar. Auch Personen, die häufig unter starken Infekten leiden, sind gefährdet, da sie mehr Vitamin A benötigen.

Um eine einheitliche Bewertung der Vitamin A-Bedarfsdeckung vornehmen zu können, wird die empfohlene Zufuhr in Retinol-Aktivitäts-Äquivalenten (RAE) oder Retinol-Äquivalenten (RE) angegeben. Diese Angaben berücksichtigen auch sogenannte "Provitamine" (wie das Betacarotin), aus denen Vitamin A hergestellt werden kann. Die Berechnung und Umwandlungsraten zwischen RAE und RE unterscheiden sich.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt für Männer ab 19 bis 65 Jahren einen Tagesbedarf von 0,85 Milligramm (850 µg) RAE pro Tag an, ab 65 Jahren nur noch 0,8 Milligramm, für Frauen ab 19 Jahren 0,7 Milligramm (700 µg) RAE pro Tag. Schwangere benötigen laut DGE 800 µg RAE. Die Empfehlungen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) werden in RE angegeben, sie sind etwa 10-15 % niedriger. Durch die Nutzung beider Einheiten kann es unterschiedliche Angaben und vor allem Unterschiede in der Bewertung von pflanzlichen Lebensmitteln als Provitamin-A-Quelle geben.

Für Interessierte:

1 Retinoläquivalent (RAE) = 1 µg Retinol = 12 µg ß-Carotin = 24 µg andere Provitamin-A-Carotinoide
1 RAE = 3,33 Internationale Einheiten (I.E.) Vitamin A
1 μg RE = 1 μg Retinol = 6 μg β-Carotin = 12 μg andere Provitamin-A-Carotinoide.

Kann ich meinen Tagesbedarf über die Nahrung decken?

Vitamin A selbst befindet sich in hohen Mengen in Leber und leberhaltigen Lebensmitteln. In anderen tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Eiern ist Vitamin A im Gegensatz dazu in eher geringen Mengen enthalten. Aus pflanzlichen Lebensmitteln gewinnt der Organismus in erster Linie Provitamine wie Betacarotin und Beta-apo-Carotinal als Vorstufen des Vitamins. Provitamine werden nach der Aufnahme aus der Nahrung in Leber, Lunge und Dünndarm zu Vitamin A umgewandelt. Zu den Provitamin-Quellen gehören vor allem pflanzliche Lebensmittel wie Möhren, rote Paprika, Kürbis, Feldsalat, Grünkohl und Spinat. Auf diese sollte besonders dann zurückgegriffen werden, wenn nur selten Leber und tierische Lebensmittel gegessen werden. Es ist nötig, dann zusätzlich Fett zur Mahlzeit aufzunehmen, damit das Vitamin gut aufgenommen werden kann. Tierische Lebensmittel enthalten selber genügend Fett, so dass hier keine zusätzliche Fettzufuhr nötig ist. Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin A ist auch bei einer rein pflanzlichen Ernährung prinzipiell möglich. Allerdings ist es dann besonders wichtig, dass keinerlei Einschränkungen im Verdauungstrakt und bei der Fettverdauung vorliegen.

Unser Tipp:
Wenn Sie einen Möhrensalat ganz ohne eine fetthaltige Beilage wie ein Schnitzel oder ein Butterbrot essen, geben Sie einen kleinen Schuss Öl hinzu. So kann mehr Betacarotin im Darm aufgenommen werden. Trinken Sie hin und wieder auch einen Gemüsesaft, da beim Entsaften durch Zerstörung der Zellen mehr Provitamine frei werden.

Hitze und Licht führen bei Anwesenheit von Sauerstoff zum Verlust von Vitamin A in den Lebensmitteln. Bei der üblichen westlichen Ernährungsweise und Zubereitungsart von Lebensmitteln wird von einem durchschnittlichen Vitamin A-Verlust von ca. 20 Prozent ausgegangen. Zudem beträgt die Aufnahmerate von Vitamin A aus der Nahrung höchstens 75 Prozent, was auch vom Anteil des gleichzeitig aufgenommenen Fettes abhängt. Neben dem Vorkommen von Vitamin A und seinen Vorstufen in zahlreichen Lebensmitteln werden auch bis zu 95 Prozent der gesamten Vitamin A-Menge in der Leber gespeichert, sodass bei Erwachsenen eine Vitamin A-Versorgung von bis zu einem Jahr aus diesen Speichervorräten möglich ist. Daneben legen auch weitere Organsysteme wie Lunge, Augen sowie der Verdauungstrakt Vorräte an Vitamin A-Vorstufen an.

Auf was Sie bei der Verwendung von Betacarotin-(Provitamin A)-Produkten achten sollten haben wir im Artikel Betacarotin-Kapseln: Allenfalls geringfügiger Sonnenschutz zusammengestellt.

Zum Anschauen:

Bundesinstitut für Risikobewertung (Juli 2022): Ob Nährstoffpillen wirklich helfen: Vitamin A, YouTube
Bundesinstitut für Risikobewertung (Juli 2022): Ob Nährstoffpillen wirklich helfen: Beta-Carotin, YouTube
 

Quellen:


Rathmann A-M; Seifert R (2024): Vitamin A-containing dietary supplements from German and US online pharmacies: market and risk assessment. Naunyn-Schmiedeberg's Arch Pharmacol, März 2024

EFSA (2024): Scientific opinion on the tolerable upper intake level for preformed vitamin A and β‐carotene. EFSA Journal 22 (6): e8814

BfR (2024): Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 006/2024 vom 22.02.2024 (zuletzt abgerufen am 14.07.2024)

Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.) (2024): Vitamin A (Retinol). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Ableitung 2020 (zuletzt abgerufen am 14.07.2024)

DGE: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin A, Stand November 2020 (zuletzt abgerufen am 14.07.2024)

Biesalski, H./Bischoff, S./Puchstein, C. (2010): Ernährungsmedizin, Georg Thieme Verlag: Stuttgart/New York

Max-Rubner-Institut (2008): Nationale Verzehrstudie II. Ergebnisbericht, Teil 2 (zuletzt abgerufen am 14.07.2024)

 

Downloads:

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