Krankmachende Bakterien in getrockneten Blatt- und Grasprodukten

Stand:
Bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Weizengraspulver, Gerstengraspulver oder anderen Blattpulvern, ist eine Belastung mit Krankheitserregern möglich. Auch werden Belastungen mit Schwermetallen, krebserzeugenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Toxinen gemeldet.
Weizengras

Das Wichtigste in Kürze:
Achtung, kann Gesundheit schaden

  • In Deutschland werden zunehmend Blatt- und Grasprodukte wie Weizengras-Pulver oder getrocknete Blätter z.B. von Moringa, Matcha oder Olive auch in Form von Nahrungsergänzungsmitteln verzehrt. Diese können mit verschiedenen Krankheitserregern belastet sein.
  • Schwangere und Personen, deren Abwehrkräfte durch hohes Alter, Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme geschwächt sind, sollten Nahrungsergänzungsmittel aus getrockneten Blatt- und Grasprodukten nur nach ärztlicher Rücksprache verzehren.
  • Grundsätzlich sind auch Belastungen mit Schwermetallen, krebserzeugenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Toxinen möglich.
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Welche Krankheitserreger können enthalten sein?

Getrocknete Blatt- und Grasprodukte (Graspulver, Blattpulver) werden in verschiedenster Form angeboten, häufig als sogenanntes Superfood oder auch als Detox-Produkt. Je nach Inhaltsstoff gibt es sie als Pulver oder in Kapseln. Pulver und Blätter (z.B. Minze, Matcha) können normale Lebensmittel sein. Häufig sind es jedoch Nahrungsergänzungsmittel, da bestimmte Zutaten (z.B. getrocknete Olivenblätter oder Tulsi Blätter (Heiliges Basilikum, Ocimum tenuiflorum), Blätter vom Maulbeerbaum (Mulberry, Morus nigra/alba)) nur in Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt sind, weil sie darin nicht als neuartig gelten. Sonst bräuchten sie eine Zulassung. Graviola-Blättern (Stachelannone, Annona muricata) und den Blättern vom Niem-Baum (Neem, Azadirachta indica) fehlt diese Erlaubnis.

Typische Produkte sind aus getrocknetem Weizengras, Gerstengras, Moringa-, Oliven- oder Tulsi-Blättern, werden aber auch aus den nicht zugelassenen getrockneten Graviola-Blättern oder Neem-Blättern hergestellt. Darüber hinaus gibt es Pulver aus Spirulina oder auch Guarana sowie mit getrockneten "Vital"-Pilzen.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat mitgeteilt, dass in 2023 erneut sehr viele Lebensmittelrückrufe über das Verbraucherwarnportal lebensmittelwarnung.de erfolgt sind (307). Erneut waren bei einem Drittel (33 %) mikrobiologische Kontaminationen Grund der Warnung. Hauptursache waren dabei Salmonellen, und zwar 31-mal. Besonders für Kinder und ältere Menschen ist es gefährlich, sich mit diesen krankmachenden Bakterien zu infizieren. Aktuelle Warnungen zu Nahrungsergänzungsmitteln finden Sie auf dieser Seite.


Solche Nahrungsergänzungsmittel können für den Menschen gefährliche Krankheitserreger enthalten, insbesondere wenn die Rohwaren nicht ausreichend behandelt wurden. Potentielle krankmachende Bakterien sind bei diesen Nahrungsergänzungsmitteln: Salmonellen, Shigatoxin bildende Escherichia coli-Bakterien, Listerien, Bacillus cereus oder Clostridium perfringens. Die Erkrankungssymptome sind abhängig von der Art der Bakterien bzw. der von ihnen gebildeten Giftstoffe. Bei den meisten dieser Infektionen kommt es zu Symptomen ähnlich einer Magen-Darm-Grippe, Fieber, Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen. Im schlimmsten Fall (z.B. EHEC oder Listeriose) kann die Erkrankung tödlich sein.

Seit etwa 2020 haben manche Hersteller zur "Desinfektion" das in Europa verbotene, krebserregende Pflanzenschutz- und Begasungsmittel Ethylenoxid verwendet. Solche Produkte werden - wenn man sie denn entdeckt - ebenfalls zurückgerufen, also vom Markt genommen. Die Überwachungsbehörden (CVUA Stuttgart) wurden vor allem bei Kapseln mit Moringa- oder Gerstengraspulver, sowie Kaktusfeigen- und Ashwagandha-Pulver (Schlafbeere) fündig. Für aktuelle Rückrufe schauen Sie in unsere Verbraucherwarnungen.

Was kann ich selber tun, um mich zu schützen?

  • Wenn Sie solche Superfood-Pulver für selber hergestellte Smoothies oder als Topping für Breie etc. verwenden, sollten Sie Smoothies und Breie bei maximal 7 °C lagern und noch am selben Tag verbrauchen. Zitrusfrüchte (ohne Schale) oder die Zugabe von sauren Säften wie Zitronensaft helfen zusätzlich gegen die Vermehrung von Bakterien.
  • Manche Nahrungsergänzungsmittel werden auch als eine Art Tee oder auch (Pulver-)Kaffee angeboten. Produkte aus getrockneten Blättern oder Gräsern sollten Sie immer mit sprudelnd kochendem Wasser aufgießen und mindestens 10 Minuten ziehen lassen.
  • Kapseln sind besonders problematisch, da sie nicht erhitzt werden können.
  • Wenn Sie schwanger sind oder geschwächte Abwehrkräfte haben (durch hohes Alter, Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme), verwenden Sie Nahrungsergänzungsmittel aus getrockneten Blatt- und Grasprodukten bitte nur nach vorheriger ärztlicher Rücksprache.
  • Bei Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Fieber oder auch grippeähnlichen Symptomen nach dem Verzehr solcher Produkte sollten Sie eine Arztpraxis aufsuchen.

Wovor wird am häufigsten gewarnt?

Die Meldungen im Portal des Europäischen Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF), zeigen, dass für Menschen gefährliche Bakterien, insbesondere Salmonellen, regelmäßig in Blattprodukten und vereinzelt in Grasprodukten nachgewiesen werden. Salmonellen-Nachweise gab es für Betelblätter und Produkte, in Moringablattpulver und Chlorella-Algen. Rückrufe wurden auch für verschiedene (Bio-)Gerstengraspulver-Produkte wegen Belastung mit E. coli-Bakterien gemeldet. Dieser Erreger kann Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Fieber verursachen. Aktuell dominieren laut Schnellwarnsystem Rückrufe wegen Salmonellen und Bacillus cereus. Betroffen sind vor allem Ashwagandha-Pulver  (auch ohne bakterielle Belastung laut BfR besser darauf verzichten) und Flohsamenschalen.

Wie das Bundeszentrum für Ernährung berichtet, zeigten Untersuchungen des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Braunschweig, dass solche Pulver auch mit Verotoxin-bildendenden Escherichia coli (VTEC) Bakterien belastet sein können. Je nach Typ können VTEC zu schweren Durchfallerkrankungen führen.

Wie gelangen die Krankheitserreger in die Pflanzen?

Blatt- und Grasprodukte können beim Anbau, z.B. durch die Düngung mit Fäkalien oder durch verunreinigtes Wasser, sowie bei der weiteren Behandlung und Verarbeitung mit für den Menschen krankheitserregenden Bakterien kontaminiert werden. Ursache dafür ist mangelnde Hygiene und unzureichendes Abtöten der Bakterien durch geeignete Verfahren (z.B. ausreichende Erhitzung). Diese Bakterien sind nicht nur auf die Pflanzenoberfläche beschränkt, einige können auch in das Pflanzeninnere eindringen. Unter bestimmten Lagerungsbedingungen können sich diese Erreger dann vermehren. Daher sollten solche Nahrungsergänzungsmittel trocken und kühl gelagert werden. Genau wie bei Gewürzen sollten sie nicht über oder in der Nähe der Kochstelle (Wärme, Wasserdampf) aufbewahrt werden.

Wie groß ist das Risiko?

Das Erkrankungsrisiko bei Nahrungsergänzungsmitteln aus getrockneten Blättern und/oder Gräsern ist laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vermutlich höher als bei getrockneten Kräutern und Teeblättern, weil Nahrungsergänzungsmittel in der Regel ohne weitere Erhitzung verzehrt werden.

Eine genaue Abschätzung des Risikos an einer Salmonellose oder einer EHEC-Infektion zu erkranken, ist jedoch derzeit nicht möglich, weil Nahrungsergänzungsmittel – zumindest von öffentlichen Stellen - bisher nur selten auf für Menschen gefährliche Bakterien untersucht wurden und Verzehrdaten für diese Produktgruppe fehlen.

Das Risiko an Listeriose zu erkranken wird für frische und getrocknete Blattprodukte als gering eingeschätzt. Für getrocknete Grasprodukte lässt sich das Erkrankungsrisiko aufgrund fehlender Daten nicht abschätzen.

Eine Erkrankung durch Campylobacter-Bakterien aus getrockneten Blattprodukten gilt als unwahrscheinlich.

Es ist aber möglich, dass in getrockneten Blattprodukten vorhandene Sporen von Bacillus cereus oder Clostridium perfringens auskeimen, sich in unzureichend gekühlten oder unsachgemäß warm gehaltenen Speisen (als Zutat in Smoothies, Breien) vermehren und durch Bildung von Giftstoffen (Toxinen) Magen-Darm-Erkrankungen verursachen.

Lebensmittelvergiftungen durch Staphylococcus aureus wären nur möglich, wenn kontaminierte Gras- oder Blattprodukte Lebensmitteln zugegeben werden würden, in denen sich der Erreger signifikant vermehren und Enterotoxine (Giftstoffe) bilden könnte.

Ein Risiko besteht insbesondere für Schwangere und Personen, deren Abwehrkräfte durch hohes Alter, Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme geschwächt sind.

Weitere Problemsubstanzen

Auch werden Belastungen mit Umweltgiften wie Schwermetallen, krebserzeugenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Toxinen gemeldet, seltener mit Pestiziden.

Außerdem sollte bei der Verwendung dieser pflanzlichen Pulver berücksichtigt werden, dass bestimmte Inhaltsstoffe wie Koffein (Guarana, Matcha, Mate) unter Umständen in recht konzentrierter Form vorliegen können, So kann 1 Teelöffel (ca. 1,5 g) Guarana-Pulver so viel Koffein wie eine Tasse Kaffee enthalten.

Matcha-Pulver kann hohe Mengen an Aluminium enthalten  - bei einer ohnehin hohen ernährungsbedingten Aluminiumaufnahme.

 

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Quellen:


Bundesinstitut für Risikobewertung (2017): Gras- und Blattprodukte zum Verzehr können mit krankmachenden Bakterien verunreinigt sein. Stellungnahme Nr. 013/2017 des BfR vom 10.07.2017 (abgerufen am 15.03.2024)

Veldman K et al. (2014): Enterobacteriaceae resistant to third-generation cephalosporins and quinolones in fresh culinary herbs imported from Southeast Asia. Int J Food Microbiol 177: 72-7. doi: 10.1016/j.ijfoodmicro.2014.02.014

CVUA Stuttgart: Moringablattpulver - weiterhin mit Rückständen und unlauterer Bewerbung. Noch immer nicht super: das "Superfood" Moringa, Stand: 16.02.2017 (abgerufen am 15.03.2024)

Lerch C. et al: "Superfood" – hält nicht, was der Name verspricht. CVUA Stuttgart, Stand: 28.08.2018 (abgerufen am 15.03.2024)

Scherbaum E. et al. (2021): Lieber „Kemie“ statt Keime? – In der EU ist beides nicht zulässig. Teil 2: Pflanzenpulver und Nahrungsergänzungsmittel. CVUA Stuttgart, Stand: 28.07.2021 (abgerufen am 15.03.2024)

Bundeszentrum für Ernährung (2019): Rohe pflanzliche Lebensmittel: Mikrobiologische Risiken möglich, Stand: 06.02.2019 (abgerufen am 15.03.2024)

Europäisches Schnellwarnsystem RASFF (abgerufen am 15.03.2024)

EU-Novel-Food-Katalog, (abgerufen am 15.03.2024)

Lietzow J et al. (2022): Gemüse zum Trinken: Grüne Smoothies aus ernährungsphysiologischer und toxikologischer Sicht. Ernährungs Umschau 69 (8): M422-431

BVL (2024): Salmonellen sind häufige Ursache für Lebensmittel-Rückrufe. Stand: 01.02.2024

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