Glucosamin und Chondroitin - Hilfe bei Gelenkbeschwerden?

Stand:
"Gelenkkapseln" sollen Abnutzung, lädierte Hüften und schmerzende Knie verhindern. Doch der Nutzen der Produkte bei Gelenkerkrankungen ist fraglich. Die Mittel sind häufig zu hoch dosiert und können sogar gesundheitliche Risiken mit sich bringen.
Gelenkbeschwerden

Das Wichtigste in Kürze:
Erst den Arzt fragen!

  • Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosamin und Chondroitin dürfen nicht mit positiven Wirkungen auf die Gelenke beworben werden. Bei schmerzhaften Beschwerden sollten sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten im ärztlichen Gespräch geklärt werden.
  • Gesundheitliche Risiken birgt die Einnahme von Glucosamin für Personen, die an Diabetes mellitus leiden.
  • Glucosamin kann für Krebstierallergiker:innen und Chondroitin für Fischallergiker:innen ein Problem sein.
  • Es gibt Wechselwirkungen mit Medikamenten, vor allem bestimmten Blutgerinnungshemmern.
  • Nicht für Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche geeignet.
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Was steckt hinter der Werbung zu Glucosamin- und Chondroitin-Kapseln?

Glucosamin- und chondroitinhaltige Kapseln wurden jahrelang für "gesunde Gelenke", "für die Beweglichkeit" und "für die Knorpelbildung" beworben. Diese gesundheitsbezogene Werbung ist bereits seit 2012 nicht mehr erlaubt. Denn laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg für eine präventive, also vorbeugende, struktur- und funktionserhaltende Wirkung von glucosaminhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln auf die Gelenke oder Knorpel von Gesunden.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellte 2018 fest, dass für die Wirksamkeit von Chondroitin für die normale Gelenkfunktion bei der Allgemeinbevölkerung (also Personen, die nicht an Arthrose-/Gelenkbeschwerden leiden) gegenwärtig wissenschaftliche Belege fehlen.

Dennoch hält sich bei vielen Verbraucher:innen der Glaube, dass die Einnahme von Glucosamin- oder Chondroitin-haltigen Nahrungsergänzungen gesundheitlich etwas bringt. Die Anbieter schüren die Hoffnung, indem sie ihren Kapseln Vitamin C oder Zink zusetzen. Denn für diese Stoffe sind allgemeine gesundheitsbezogene Aussagen erlaubt, die den Knochen oder die normale Knorpelbildung betreffen. Das sind zum Beispiel: "Vitamin C trägt zu einer normalen Kollagenbildung bei" oder "Vitamin C trägt zu einer normalen Knorpel-/Knochenfunktion bei", "Zink trägt zum Erhalt der normalen Knochen bei".

Anbieter dieser Kapseln dürfen jedoch nicht behaupten, dass Glucosamin und Chondroitin den Knorpel wieder regenerieren oder wiederaufbauen können. Selbst der Begriff "Gelenk" im Produktnamen, die Werbung mit verbesserten Gelenkfunktionen sowie die Abbildung eines beweglichen Gelenkes sind nicht zulässig, da dies einen Wirkzusammenhang vermuten lässt, der nach Einschätzung von Experten nicht gegeben ist.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass der Name "Gelenktabletten plus" auf einem Nahrungsergänzungsmittel als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe einzustufen ist. Nahrungsergänzungsmittel sind eben keine Arzneimittel und wirken auch nicht so.

Die Internationale Arthrosegesellschaft OARSI erwähnt in ihren Leitlinien von 2019 für die Behandlung der Kniegelenks(Gon-)arthrose  Glucosamin und Chondroitin nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie bewertet in ihrer „Leitlinie Gonarthrose“ die Studienergebnisse zur symptomlindernden Wirkung von Glucosamin und Chondroitinsulfat als widersprüchlich, außerdem gebe es keine Belege für eine knochenprotektive Wirkung des Chondroitinsulfats.
 

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Auf was sollte ich bei der Verwendung von Glucosamin- und Chondroitin-Produkten achten?

Grundsätzlich empfehlen wir, sich bei Gelenkbeschwerden, festgestellter Arthrose oder Arthritis mit Ihrem Arzt über sinnvolle Maßnahmen und Therapiemöglichkeiten zu besprechen, statt auf Verdacht teure, aber meist wenig hilfreiche "Gelenkpillen" als Nahrungsergänzung zu kaufen.

Hinzu kommt, dass Ende Oktober 2023 im Zentrallabor der Deutschen Apotheker festgestellt wurde, dass einige (in der Apotheke erhältliche) Produkte gar kein Chondroitinsulfat enthalten, sondern stattdessen vermutlich (billiges) Maltodextrin (ein Mehrfachzucker) eingesetzt wurde, der bei den üblichen Untersuchungsmethoden (IR-Spektrum) ein ähnliches Muster aufweist. Verursacher war dabei nicht der Hersteller des Nahrungsergänzungsmittels, sondern dessen Zulieferer. Aber es ist halt ein Problem, dass es für Nahrungsergänzungsmittel anders als für Arzneimittel keine vorgeschriebenen Qualitätskontrollen gibt - und so kommt es immer wieder mal zu Fälschungen und Betrug.

Wenn Sie die Produkte dennoch nehmen möchten, achten Sie bitte auf Folgendes:

  • Glucosamin kann den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Personen, die an Diabetes mellitus leiden bzw. eine eingeschränkte Glukosetoleranz haben, wird daher bei Einnahme von Glucosamin eine Überwachung des Blutzuckerspiegels empfohlen. 
  • Glucosamin, das aus Krebstieren hergestellt wird, kann problematisch für Personen sein, die an einer Krebstierallergie leiden. Dieser Hinweis muss dann auch auf der Verpackung stehen. 
  • Glucosaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel können ein Gesundheitsrisiko bergen für Patienten, die Blutgerinnungshemmer (Cumarin-Antikoagulanzien) einnehmen. Glucosamin kann die blutgerinnungshemmende Wirkung der Medikamente verstärken und die Einnahme kann zu Blutungen führen. 
  • Für Chondroitin-haltige Produkte mit Dosierungen von 730 bis 1.000 Milligramm pro Tag werden gastrointestinale Beschwerden (Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit) sowie Kopfschmerzen oder Schwindelgefühl als häufige unerwünschte Wirkungen aufgeführt. 
  • Laut Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine gesundheitliche Bewertung der Einnahme von Glucosamin und Chondroitin für Schwangere und Stillende sowie Kinder und Jugendliche wegen fehlender Daten nicht möglich, diese Personengruppen sollten daher besser auf die Einnahme verzichten. Bei Chondroitinsulfat besteht bei Produkten, die aus Fischgewebe gewonnen wurden, ein Risiko für Menschen mit einer Fischeiweißallergie.

Tipp der Verbraucherzentralen: 

Das wirksamste, anerkannte Mittel gegen fortschreitende Arthrose ist die körperliche Bewegung.

Ob Glucosamin oder Chondroitin in Form eines Arzneimittels in einer bestimmten Dosierung und Anwendungsdauer als Therapie gegen Arthrose eingesetzt werden können, muss Ihre behandelnden Ärzt:innen entscheiden.

Was sind Glucosamin und Chondroitin?

Glucosamin kommt im menschlichen Körper natürlich vor. Er ist Bestandteil des Bindegewebes, des Knorpels und der Gelenkflüssigkeit. Für die Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln wird Glucosamin hauptsächlich aus Krebstieren gewonnen. Meist wird die Verbindung Glucosaminsulfat verwendet.

Die Substanz Chondroitin (meist als Chondroitinsulfat erhältlich) ist im Gewebe an Eiweiße gekoppelt und ein Hauptbestandteil des Knorpels (griechisch Chondros) sowie der Knochen und des Bindegewebes. Chondroitin für Nahrungsergänzungsmittel wird nach Angaben des Untersuchungsamtes für Lebensmittel in Stuttgart aus Schlachtabfällen wie der Luftröhre von Rindern, aus Schweineohren oder -schnauzen sowie aus Haifischknorpeln oder Gewebe anderer Fische hergestellt.

Wie wirken Glucosamin und Chondroitin als Nahrungsergänzung?

Chondroitin und Glucosamin sollen den Knorpel regenerieren. Doch erst einmal ist fraglich, ob die als Kapsel eingenommenen und als "Gelenknährstoffe" beworbenen Stoffe nach dem Verzehr den Knorpel im Gelenk überhaupt erreichen - denn die im Blut erreichten Wirkstoffspiegel sind sehr niedrig. Zudem ist unklar, ob die Stoffe tatsächlich eingebaut werden und den schadhaften Knorpel ausbessern können. Seine Fähigkeit zur Regeneration wird von Experten nämlich prinzipiell als äußerst gering bis kaum möglich eingestuft.

Für eine mögliche (geringfügige) Wirkung der "Gelenknährstoffe" scheinen die Art und Schwere der Gelenkerkrankung, die sehr langfristige Dauer der Einnahme (Monate bis Jahre) eine wichtige Rolle zu spielen, ebenso die Dosierung und Zusammensetzung der Produkte. Sowohl bei Studien mit Nahrungsergänzungen als auch mit Arzneimitteln gibt es jedoch sehr widersprüchliche Ergebnisse – von einer (leichten) Verbesserung der Beschwerden bis zu keinem Unterschied im Vergleich zur Einnahme eines Placebos (Scheinmedikaments).

Eine spanische Studie von 2017 zeigte sogar die deutliche Überlegenheit eines Placebos gegenüber der Kombination von Glucosamin- und Chondroitinsulfat bei der Behandlung von Schmerzen bei Kniearthrose.

Quellen:


Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger: Stellungnahme 2016/42: Gelenkpräparate als Nahrungsergänzungsmittel mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben in Bezug zu Bindegewebe, Knorpel oder Knochen (abgerufen am 18.05.2022)

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2013): Glucosaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel können ein Gesundheitsrisiko für Patienten darstellen, die Cumarin-Antikoagulantien als Blutgerinnungshemmer einnehmen. Stellungnahme Nr. 004/2010 des BfR vom 14.08.2009, ergänzt am 21.01.2013, (abgerufen am 18.05.2022)

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2018): Risikobewertung von Chondroitinsulfat in Nahrungsergänzungsmitteln Aktualisierte Stellungnahme Nr. 040/2018 des BfR vom 07.12.2018 (abgerufen am 18.05.2022)

DocCheck-News vom 24.02.2017, Arthroseschmerz: Die Oops-Studie (abgerufen am 18.05.2022)

Internationale Arthrosegesellschaft OARSI (2019), OARSI Guidelines/Clinical Trial Guidelines (abgerufen am 18.05.2022)

Lerch, C (2013): Zerknirscht: Nahrungsergänzungsmittel für die Gelenkgesundheit – ein gutes Beispiel für eine schlechte Umsetzung der Health-Claims-VO durch die Unternehmen. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA). Bericht erschienen am 29.05.2013 (abgerufen am 18.05.2022)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG (2018): Kniearthrose (Gonarthrose), Stand: 02.06.2021 (abgerufen am 18.05.2022)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG (2018): Hüftarthrose (Coxarthrose), Stand: 19.05.2021 (abgerufen am 18.05.2022)

Gelenktabletten - Gesundheitsbezogene Angaben eines Markennamens. BVerwG 3 B 53.18, Beschluss vom 24.05.2019

Verordnung (EU) Nr. 1066/2013 der Kommission vom 30.10.2013 zur Nichtzulassung bestimmter anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern

EFSA (2012): Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to glucosamine and maintenance of normal joint cartilage pursuant to Article 13(5) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 2012;10(5):2691

Information der Institutionen und Behörden: AMK/ZL: Fehlender Inhaltsstoff bei Chondroitin-haltigem Nahrungsergänzungsmittel. ABDA-Information 44/23 vom 30.10.2023

Drehscheibe Nahrungserganzugnsmittel

Nährstoffe in Lebensmitteln

Nahrungsergänzungsmittel sind häufig überflüssig, denn die benötigten Nährstoffmengen lassen sich auch einfach essen. Das zeigt die bei den Verbraucherzentralen erhältliche Drehscheibe "Wellness, Gesundheit, Schönheit?". Sie informiert entsprechend der hier im Portal genannten Produktgruppen über die entsprechenden Inhaltsstoffe in herkömmlichen Lebensmitteln und zeigt die benötigten Portionsgrößen. Hier ist sie digital umgesetzt.

Grafische Darstellung einer Frau, die ungeduldig auf ihre Armbanduhr schaut. Rechts daneben befindet sich das Logo von Cleverbuy, darunter eine Grafik von einem Smartphone, von der ein roter Pfeil auf einen Stapel Euroscheine führt. Rechts daneben befindet sich ein großes, rotes Ausrufezeichen, in dem "Warnung" steht.

Warnung vor Cleverbuy: Auszahlung lässt auf sich warten

"Clever Technik kaufen und verkaufen" heißt es auf der Website der Ankaufplattform Cleverbuy. Gar nicht clever ist die oft lange Zeit, die verstreicht, bis Nutzer:innen ihr Geld für Smartphone und Co. ausgezahlt bekommen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt daher vor dem Anbieter.
Besorgt dreinblickender Mann, der auf seine Kreditkarte schaut, während er mit seinem Mobiltelefon spricht.

Der vzbv stellt fest: Banken tun nicht genug gegen Kontobetrug

Opfer von Kontobetrug bleiben in vielen Fällen auf dem Schaden sitzen, denn: Banken werfen ihnen grobe Fahrlässigkeit vor. Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) müssten Banken jedoch mehr tun, um Verbraucher:innen zu schützen.

Ärger mit Strom-, Gas- und Fernwärmeverträgen

Viele Verbraucher:innen haben Preiserhöhungen für ihre Strom-, Gas- und Fernwärmeverträge oder die Kündigung erhalten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen klagen gegen mehrere Unternehmen wegen rechtswidrigen Verhaltens.