Marktcheck: Optisch perfektes Obst und Gemüse belastet Umwelt und Klima

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Im Handel wird nur das schönste Obst und Gemüse angeboten. Für Umwelt und Klima ist das aber schädlich. Lesen Sie hier mehr.
Eine Frau vor einem Obstregal

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bundesweiter Marktcheck der Verbraucherzentralen untersucht Angebot von Obst und Gemüse in 25 Supermärkten, Biohandelsmärkten und Discountern.
  • Ergebnisse zeigen: Hohe Anforderungen im Verkauf schränken Handlungsspielraum von Erzeugern sowie Verbraucher:innen ein.
  • Damit Obst und Gemüse makellos aussehen kann, müssen Erzeuger oft zusätzliche Pflanzenschutz- und Düngemittel einsetzen.
  • Handel sollte ästhetische Ansprüche an Obst und Gemüse zugunsten der Nachhaltigkeit anpassen.
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Obwohl im Handel selbst verhältnismäßig wenig Lebensmittel weggeworfen werden, hat er einen enormen Einfluss auf Lebensmittelverluste in der Produktion. Denn: Die Qualitätsansprüche des Handels für die Vermarktung von Obst und Gemüse gehen teils weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus: Die Supermärkte achten stark auf Größe, Form und Ästhetik von Obst und Gemüse. Dadurch erschweren sie den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte und nehmen Verbraucher:innen die Chance, bedarfsgerecht und nachhaltig einzukaufen.

Das bestätigt auch der Marktcheck der Verbraucherzentralen: In einer bundesweiten Stichprobe haben die Verbraucherzentralen die Obst- und Gemüseabteilung von 25 Märkten des Einzelhandels untersucht. Darunter befanden sich zwölf Supermärkte, elf Discounter und zwei Bio-Supermärkte. In den jeweiligen Obst- und Gemüseabteilung wurde erfasst, ob Obst und Gemüse preisreduziert angeboten wurde, inwiefern Obst und Gemüse der Klasse II im Sortiment vorhanden war, ob der Preis nach Gewicht oder Stück berechnet und ob das Blattwerk mit angeboten wurde.

Im August 2021 besuchte Lebensmitteleinzelhandels-Geschäfte

Preisreduziertes Obst und Gemüse nur in einem Viertel der Geschäfte

Anstatt Produkte zu entsorgen, die aufgrund der Reife direkt verzehrt werden sollten, können Händler dieses Obst und Gemüse auch zu einem reduzierten Preis anbieten. Die Untersuchung hat allerdings ergeben, dass nur jeder vierte Markt der Stichprobe preisreduziertes Obst und Gemüse im Angebot hatte. Lediglich ein Markt gab es kostenfrei ab. Wenn vorhanden, befand sich die reduzierte Ware überwiegend in gutem Zustand, war leicht zu finden und offen zugänglich. Einzelne Geschäfte präsentierten die Ware mit auffälligen Schildern oder motivierenden Sprüchen.

 

Tipps zum Umgang mit überreifem Obst und Gemüse

  1. Halten Sie in Ihrem Markt Ausschau nach reduzierten Lebensmitteln oder informieren Sie sich beim Personal, ob und wann es überreifes Obst und Gemüse gibt.
  2. Verbrauchen Sie sehr reifes Obst und angewelktes Gemüse rasch und achten Sie bis dahin auf die richtige Lagerung von Obst und Gemüse.
  3. Bei fauligen Stellen, Schimmelbefall oder einem stark abweichenden Geruch sollten Sie Obst und Gemüse nicht mehr verzehren.
  4. Auch sehr reifes Obst und Gemüse lässt sich meist verarbeiten wie zuvor.
    Überreife Bananen können Sie in Stücke schneiden und einfrieren. Mit einem Schuss Milch oder einer veganen Alternative püriert wird daraus ein leckeres Bananeneis.
    Weich gewordene Paprika, Tomaten oder Auberginen lassen sich zu Suppen, Saucen oder einer mediterranen Gemüsepfanne verarbeiten. Die meisten Obstarten eignen sich püriert für einen Smoothie oder als fruchtiges Topping auf Naturjoghurt.

 

Wenig Obst und Gemüse der Klasse II

Anteil von Möhren je Klasse

Oft verkaufen Händler ihr Obst und Gemüse nach Klassen sortiert  – obwohl das gesetzlich nur für zehn Produktgruppen vorgeschrieben ist. Je höher die Klasse, desto höher die Anforderungen an Ästhetik und Größe. So können Äpfel der Klasse II beispielsweise eine größere Abweichung vom genormten Durchmesser haben als Äpfel der Klasse I.

Anteil Äpfel je Klasse

In der Marktstichprobe stammten 80 Prozent der Apfel- und Möhrenangebote aus Klasse I und 20 Prozent aus Klasse II. Nur in Einzelfällen wurde auf Obst und Gemüse der Klasse II explizit hingewiesen – zum Beispiel auf der Verpackung mit "Krumme Dinger / Krumm in der Form. Makellos im Geschmack" oder "Bio-Helden dürfen auch mal Macken haben". Im Sortiment der Discounter ist der Anteil von Äpfeln und Möhren der Klasse II am geringsten, wohingegen die untersuchten Bio-Märkte ausschließlich Äpfel und Möhren der Klasse II anboten.

Häufig nach Stückpreis verkauft, selten nach Gewicht

Nach Gewicht oder nach Stück verkauft?

Einige Obst- und Gemüsearten werden oft nach Stück und nicht nach Gewicht verkauft. Das erfordert einheitliche Größen und Gewichte. Obst und Gemüse, das nicht der Mindestgröße oder dem Mindestgewicht entspricht, schafft es dann nicht in den Handel. Der Marktcheck bestätigt: Kohlrabi und Eisbergsalat wurden fast ausschließlich zum Stückpreis verkauft, Brokkoli in festen Verkaufseinheiten von 300 bis 500 Gramm. Nur vereinzelt wurden Blumenkohl und Brokkoli als Wiegeware angeboten. Bei Kohlrabi und Eisbergsalat, die zum Stückpreis verkauft wurden, gab es besonders häufig deutliche Größenunterschiede. Kunden konnten hier zwar nach ihrem jeweiligen Bedarf größere oder kleinere Exemplare auswählen, zahlten aber den einheitlichen Stückpreis. Das verleitet unter Umständen dazu, das größte Produkt zu wählen ohne den tatsächlichen Bedarf zu berücksichtigen.

Kaum Gemüse ohne Blattwerk

Gemüse ohne Blattwerk bleibt länger frisch, da weniger Wasser verdunstet. Dennoch verwendet der Handel es als vermeintliches Frischemerkmal. Die Stichprobe ergab, dass Kohlrabi und Radieschen nur vereinzelt ohne Blätter angeboten wurden. Zum Teil wurde das Blattwerk beim Kohlrabi entfernt –  vermutlich im Geschäft selbst, weil es schon welk war. Meistens waren die Blätter bei Radieschen und Kohlrabi schon welk und unansehnlich.

Fazit

Im Lebensmitteleinzelhandel besteht noch ein großes Potenzial, die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Denn nur ein Viertel der untersuchten Märkte hat preisreduzierte Ware angeboten und dort, wo es Größenunterschiede gab, wurde trotzdem ein Stückpreis verlangt. Auch Waren der Klasse II waren nur in wenigen Märkten zu finden, ebenso wie Gemüse ohne Blattwerk.

Der Handel sollte die Anforderungen an Ästhetik als auch Größen- und Gewichtsnormen sowie die Verpackungsformen von Obst und Gemüse zugunsten einer naturnahen und nachhaltigeren Sortimentsgestaltung anpassen. So profitieren am Ende auch Verbraucher:innen, indem sie unterschiedliche Größeneinheiten oder Obst und Gemüse nach Gewicht kaufen können. Zudem trägt ein größeres Angebot von Obst und Gemüse der Klasse II zu einem realistischeren Bild von landwirtschaftlich erzeugten Produkten im Markt bei. Das steigert wiederum die Vermarktungschancen der Erzeugerinnen und Erzeuger.

Das fordern die Verbraucherzentralen

  • Der neue Endpreis nach der Preisreduzierung muss leicht zu ermitteln sein, indem beispielsweise immer das alte Preisschild verfügbar bleibt.
  • Der Handel sollte auf eigene Anforderungen bezüglich Größe, Einheitlichkeit und Aussehen verzichten. Die Spielräume der gesetzlichen Vermarktungsnormen müssen ausgenutzt werden. Wo eine Klassen-Kennzeichnung vorgeschrieben ist, sollte Klasse II zum neuen Standard werden.
  • Obst und Gemüse sollte grundsätzlich nach Gewicht und nicht nach Stück verkauft werden. Um enge Vorgaben für einheitliche Größen überflüssig zu machen, müssen Verkaufsverpackungen und Packstückgrößen an die natürlichen Größen und Gewichte von Obst und Gemüse angepasst werden.
  • Gemüse wie Kohlrabi, Radieschen und Möhren sollten ohne Blätter angeboten werden.

Mehr dazu können Sie im ausführlichen Bericht des Marktchecks nachlesen.

2023 machten die Verbraucherzentralen erneut Stichproben. Ob sich die Situation zwischenzeitlich geändert hat, lesen Sie im verlinkten Artikel.

Bericht des Umweltbundesamtes bestätigt / unterstreicht Marktcheckergebnis

Darauf, dass außergesetzliche Vorgaben des Handels Umwelt und Klima belasten, weist auch die Veröffentlichung des Umweltbundesamtes (UBA) "Mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal - gut für Umwelt und Klima" hin. Damit Obst und Gemüse makellos aussehen kann, müssen Erzeuger oft zusätzliche Pflanzenschutz- und Düngemittel einsetzen. Entsprechen die landwirtschaftlichen Produkte nicht den Vorgaben, nimmt der Handel sie in der Regel nicht ab. Im besten Fall werden sie weiterverarbeitet, häufig aber untergepflügt oder entsorgt. Das UBA hat zusammen mit Expertinnen und Experten Lösungsvorschläge für umwelt- und klimafreundlichere Vorgaben entwickelt. Mehr dazu können Sie im Bericht "Mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal - gut für Umwelt und Klima" des Umweltbundesamtes lesen.

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