Recht auf ewigen Widerspruch bei Lebens- und Rentenversicherungen

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Wer aus einer laufenden Lebens- oder Rentenversicherung aussteigen will, kann ihr mitunter auch Jahre nach Vertragsschluss noch widersprechen und eine Rückabwicklung des Vertrages erreichen. In diesem Artikel erfahren Sie, was Sie darüber wissen müssen.
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Das Wichtigste in Kürze:

  • Privaten Lebens- und Rentenversicherungen, die zwischen dem 29. Juli 1994 und Ende 2007 abgeschlossen worden sind, können Sie bei deutlich falscher Kundeninformation widersprechen.
  • Wir erklären die wichtigsten Punkte. Einen Widerspruch sollten Sie aber in jedem Fall individuell prüfen lassen.
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Private Kapitallebens- und Rentenversicherungen, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen worden sind, können Sie auch heute noch widersprechen. Voraussetzung dafür ist, dass der Versicherer bei Vertragsschluss nicht oder deutlich fehlerhaft über entsprechende Kundenrechte aufgeklärt hat. 

Für Kapitallebens- und Rentenversicherungen hatte der Bundesgerichtshof bereits vor Jahren entschieden, dass bei fehlerhafter Belehrung das Widerspruchsrecht der Kund:innen fortbesteht (Az. BGH IV ZR 76/11, Urteil vom 7. Mai 2014 und Az. BGH IV ZR 384/14, Urteil vom 29. Juli 2015). 

Der Europäische Gerichtshof bestätigte das zeitlich unbegrenzte Widerspruchs- bzw. Widerrufsrecht (Az. C-209/12). Allerdings muss der Fehler der Belehrung gravierend gewesen sein. Der Europäische Gerichtshof bezieht sich im Urteil vom 19. Januar 2019 (Az: C 355/18 bis C 357/18 und C 479/18 Rz. 81) auf jene Fälle, in denen der Versicherer gar nicht belehrt hat oder derart unrichtig belehrte, dass den Versicherungsnehmern die Möglichkeit genommen wurde, ihr Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. 

Dabei sei im Wege einer Gesamtwürdigung insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Das Gericht beschränkt die Anwendung des ewigen Lösungsrechtes vom Vertrag also auf gravierende Fälle. 

Wer seinen Vertrag gekündigt hat, sollte sich informieren

Die Entscheidungen der Richter sind insbesondere relevant, wenn Sie sich schon nach kurzer Zeit wieder von Ihrer Versicherungspolice getrennt und daher nur einen geringen Teil der eingezahlten Beiträge zurückerhalten hatten. Sie können auch heute noch dem ursprünglichen Vertrag widersprechen und erhebliche Nachzahlungen bekommen, wenn Sie deutlich fehlerhaft belehrt wurden.

Der Hintergrund: Wer einen solchen Vertrag abgeschlossen hat, musste mit seinen Beiträgen unter anderem Abschluss- und Vertriebskosten zahlen. Bei einer Kündigung behält sie der Anbieter ein. Je nach Vertrag waren Kunden so bis zu mehrere Tausend Euro los. Anders wäre das bei einem Widerspruch. Sie bekämen sämtliche Zahlungen zuzüglich eines Nutzungsersatzes zurück.

Wir erklären wichtige Punkte zum Thema. Lassen Sie sich dennoch von einem Anwalt oder den Verbraucherzentralen individuell beraten, wenn Sie einen Widerspruch in Betracht ziehen.

Welchen Verträgen kann ich widersprechen?

  • Verträgen, die zwischen dem 29. Juli 1994 und Ende 2007 geschlossen wurden, können Sie - bei fehlender oder deutlich fehlerhafter Belehrung - unendlich lange widersprechen. Die normalerweise bestehende Frist von 14 oder 30 Tagen wird in diesen Fällen nicht in Gang gesetzt.
  • Ein späterer Widerspruch kann jedoch auch bei unzureichender Belehrung unter strengen Voraussetzungen als treuwidrig und damit unzulässig beurteilt werden. Entscheidend dafür ist, wie gravierend der Fehler der Belehrung ist.  

Welche Anlässe für einen Widerspruch gibt es?

Für einen Widerspruch gibt es zwei Anlässe:

  • Sie haben sich entschlossen, eine bestehende Lebens- oder Rentenversicherung nicht bis zur geplanten Fälligkeit fortzuführen.
  • Sie haben den Vertrag bereits in der Vergangenheit gekündigt und größere eingezahlte Beiträge nicht zurückerhalten.

Beachten sollten Sie bei Ihrem Vertrag jedoch unbedingt, welche garantierten Zinsen er Ihnen bringt. Kapitallebens- und Rentenversicherungen sind insbesondere in den 90er Jahren bis 2000 oft mit hohen garantierten Zinsen abgeschlossen worden. Vergleichbare Konditionen werden Sie aktuell am Markt der Lebensversicherungen kaum bekommen.

Berücksichtigen Sie bitte auch, dass im Versicherungsvertrag eventuell enthaltene Zusatzversicherungen, wie etwa eine Berufsunfähigkeitsversicherung, durch den Widerspruch entfallen können.

Lassen Sie Ihre Widerspruchsbelehrung prüfen

Für den juristischen Laien ist es schwer zu beurteilen, ob eine Widerspruchsbelehrung deutlich fehlerhaft ist und ob das Berufen auf einen solchen Fehler auch nach längerer Zeit noch erfolgversprechend möglich ist.

In den Fällen, in denen ein Widerspruch grundsätzlich möglich wäre, sollten Sie sich an die Verbraucherzentralen oder entsprechend qualifizierte Rechtsanwälte wenden und ihre Belehrung prüfen lassen sowie rechtlichen Rat zum weiteren Vorgehen einholen. Keinesfalls sollten Sie einen Widerspruch leichtfertig oder übereilt erklären.

Risiken: Was kann mir passieren?

Nicht nur die Prüfung der Widerspruchsbelehrung sollte mit Unterstützung eines Anwalts oder der Verbraucherzentralen erfolgen. Auch der Widerspruch selbst birgt gewisse Risiken:

  • Sie müssen mit Gegenwehr der Versicherer rechnen.
  • Es können hohe Anwalts- und Gerichtskosten entstehen.

Wie hoch ist das Prozesskostenrisiko?

Sie müssen damit rechnen, dass die Versicherung Ihren Widerspruch nicht akzeptiert. Einige Versicherungen verweigern sich total, sodass notfalls Klage erhoben werden muss. Andere geben nach - womöglich aber auch erst, wenn Sie einen Rechtsanwalt an Ihrer Seite haben.

Akzeptiert die Versicherung den Widerspruch nicht, ist der nächste Schritt die Klage vor Gericht. Ein Weg mit Risiko: Wegen des oftmals sehr hohen Streitwertes können hohe Anwalts- und Gerichtskosten entstehen. Verlieren Sie den Prozess, müssen Sie diese zahlen. Auch zu dem Thema "Prozesskostenrisiko" sollten Sie sich daher von Ihrem Rechtsanwalt beraten lassen. Rechtsschutzversicherungen decken Streitigkeiten um Versicherungsverträge in der Regel ab.

Auch wenn Sie sich nach anwaltlicher Beratung (und gegebenenfalls außergerichtlicher Vertretung) gegen eine Klage entscheiden, müssen Sie dennoch den beauftragten Rechtsanwalt bezahlen. Daher sollten Sie den Anwalt schon zu Beginn der ersten Beratung nach den anfallenden Kosten und möglichen Folgekosten fragen.

Unter Umständen haben Sie es auch nicht selber in der Hand, ob es zu einem Gerichtsstreit kommt oder nicht. Die Versicherung könnte nach Widerspruch durch den Verbraucher ihrerseits eine Klage erheben, um die (Un)Wirksamkeit des Widerspruches gerichtlich klären zu lassen.

Wie wir die Versicherung nach Widerspruch abgerechnet?

Durch den Widerspruch wird der Versicherungsvertrag nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften rückabgewickelt. Das bedeutet: Sie bekommen Ihre Beiträge zurück. Abschluss und Verwaltungskosten dürfen nicht abgezogen werden. Allerdings werden die Beitragsanteile abgezogen, die für eine Risikoversicherung, zum Beispiel bei einer Todesfallleistung, zu zahlen waren.

Mit den erhaltenen Beitragszahlungen konnten die Versicherungen in der Zwischenzeit Zinsen erwirtschaften. Diesen Vorteil in Form der Möglichkeit, das Geld gewinnbringend zu nutzen, müssen sie ihren Kund:innen erstatten. Hierbei ist zu beachten, dass Sie für die gezogenen Nutzungen des Anbieters gegebenenfalls darlegungs- und beweispflichtig sind.

Was mache ich, wenn ein Widerspruch nicht möglich ist?

In solch einem Fall bleibt Ihnen  als Alternative nur die Kündigung zum Rückkaufwert. Dabei verlieren Sie allerdings die gezahlten Abschluss- und Vertriebskosten, deren Höhe von Gesellschaft zu Gesellschaft ebenfalls stark schwanken und von uns nicht nachgeprüft werden kann.

Außerdem verlieren Sie bei älteren Versicherungspolicen auch den Anspruch auf einen Garantiezins, den Sie zum aktuellen Marktzins bei vergleichbaren Verträgen nicht mehr bekommen werden.

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